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Position des 1. FC Union Berlin zur geplanten Abstimmung

DFL-Mitgliederversammlung:

So, 10. Dezember 2023
Position des 1. FC Union Berlin zur geplanten Abstimmung

Am morgigen Montag, dem 11.12.2023 treffen sich die Vertreter der 36 Clubs der Deutschen Fußball Liga zu einer Mitgliederversammlung. Zur Abstimmung steht unter anderem ein Antrag, das Präsidium der DFL zu beauftragen und zu ermächtigen, einen Vertrag mit einem Investor im Rahmen der vorgelegten Eckpunkte der Vermarktungspartnerschaft rechtsverbindlich abzuschließen.

Das Präsidium des 1. FC Union Berlin bekennt sich weiterhin grundsätzlich zum Investitionsbedarf in den deutschen Profifußball und in die Vereine, hält jedoch das Vorgehen seit der letzten Abstimmung der DFL-Mitglieder im Mai und den vorliegenden Antrag für falsch.

Union-Präsident Dirk Zingler hat die inhaltliche Position des 1. FC Union Berlin den Mitgliedern der DFL in einem ausführlichen Schreiben dargelegt und appelliert darin an das DFL-Präsidium, den für Montag geplanten Antrag nicht zu stellen.

Nachfolgend das Schreiben des 1. FC Union Berlin an die DFL-Mitglieder im Wortlaut:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im Mai haben wir im Rahmen einer DFL-Mitgliederversammlung darüber abgestimmt, ob der begonnene Prozess der Prüfung einer möglichen Beteiligung externer Investoren an einer Tochtergesellschaft zur Vermarktung unserer Medienrechte fortgesetzt werden soll. Der Antrag, genau das zu tun und die Bedingungen für eine solche Beteiligung weitgehend auszuverhandeln, hat damals die erforderliche Mehrheit verfehlt.

Ein halbes Jahr später steht am Montag ein weitgehend zu Ende verhandeltes Modell für eine solche Beteiligung zur Abstimmung. Es fällt die Entscheidung, ob das DFL-Präsidium ermächtigt werden soll, einen entsprechenden Vertrag mit einem externen Investor abzuschließen. Die damit demonstrierte Missachtung des Abstimmungsergebnisses ist ein mindestens ungewöhnlicher Vorgang, den wir durchaus noch einmal thematisieren sollten.

Abgesehen davon möchten wir Ihnen unsere inhaltlichen Positionen zum vorliegenden Antrag darlegen:

Es ist zum falschen Zeitpunkt, unmittelbar nach Ablehnung im Frühjahr und unter zeitlichem Druck eines Abschlusses vor Beginn der nächsten Rechteausschreibung 2024 verhandelt worden. Die wirtschaftlichen Ergebnisse daraus liegen deutlich unter den im Frühjahr angekündigten Werten. Heute „kostet“ ein Prozent Ertragsbeteiligung an unseren medialen Rechten für 20 Jahre einen möglichen Partner ca. 112 Mio. €. Im Frühjahr lag der Wert noch bei bis zu 176 Mio. €.

Nach der Ablehnung im Frühjahr sind falsche Schlussfolgerungen getroffen worden. Anstatt einen breiten und transparenten Diskurs über die Notwendigkeit von Investitionen und deren richtige Verwendung und Aufteilung zwischen der DFL und den Vereinen auf breiter Basis zu führen, wurde das schwierige Thema der Investitionen in die Vereine nun ausgeklammert. Was im Mai noch mit voller Überzeugung als richtig und notwendig dargestellt wurde, scheint im Dezember plötzlich entbehrlich.

Die spezifische Stärke des deutschen Profifußballs findet zudem im Verhandlungsergebnis keine Entsprechung. Der Vereinsfußball in Deutschland boomt. Unsere Stadien sind voll und viele von ihnen zählen zu den modernsten in Europa. Alle Vereine verzeichnen einen starken Mitgliederzuwachs. Die 50+1-Regel erweist sich als gut funktionierendes Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Modellen in der Welt. Jedoch bedrohen Multi-Club-Ownerships und rein renditeorientierte Investorenmodelle zunehmend den Vereinsfußball. Investoren und Eigentümer kommen verstärkt aus einem anderen Teil der Welt als der ihnen gehörende Fußballclub. Die kulturelle Bedeutung und die soziale Verankerung von Fußball finden in solchen Konstellationen immer weniger Beachtung. Das darf nicht unser Weg sein!

Wenn wir etwas anderes wollen, dann müssen wir entsprechend handeln, dafür werben und die Folgen daraus akzeptieren. 50+1 und mitgliedergeführte Vereine bedeuten, dass andere Ligen und andere Vereine durch Investoren oder vermögende Eigentümer auf Dauer über mehr finanzielle Mittel verfügen werden. Es bedeutet, dass die besten und somit teuersten Spieler nicht in Deutschland spielen; dass die Ligen, in denen die besten und teuersten Spieler spielen, auch die höchstdotierten Verträge bei der Vermarktung ihrer Rechte abschließen. Uns durch unser Handeln letztlich doch in den Wettbewerb zu diesen Modellen zu stellen, wird uns immer verlieren lassen. Lasst uns stattdessen für die in unserem Land historisch entstandene, sehr erfolgreiche Art und Weise des auf Gemeinnützigkeit basierenden Fußballs setzen. Andernfalls riskieren wir, unsere ureigene Stärke zu verlieren, ohne dass wir eine neue gewinnen.

Klug in den deutschen Profifußball, in unseren eigenen Weg zu investieren, ist notwendig. Doch unsere Kleingeistigkeit und unser gegenseitiger Neid haben uns daran wiederholt gehindert: Weil andere vermeintlich zu Unrecht mehr bekommen als mein Verein, stimme ich lieber ganz dagegen. Mit diesem Verhalten nehmen wir in Kauf, dass alle verlieren, wir uns selbst und unseren eigenen Weg schwächen, Unterschiede vertieft werden, statt sie abzubauen. Vor allem kleinere und mittelgroße Vereine haben einen Bedarf an zentralen Investitionsmitteln und sollten diesen Weg unterstützen. Unsere seit langer Zeit erfolgreichsten Vereine sind in der Lage, notwendige Investitionen aus eigenen Mitteln zu tätigen, und bestehende Unterschiede somit sogar noch zu vergrößern.

Die Vorschläge aus dem Frühjahr waren daher eher für diejenigen von uns sinnvoll, die sie abgelehnt haben. (Vermeintliche) Gerechtigkeit stellen wir nicht her, indem wir versuchen, Realitäten und bestehende Unterschiede durch leistungsunabhängige Umverteilung zu verändern. Das funktioniert weder im eigenen Leben noch in unserer eigenen Liga und genauso wenig im globalen Fußball-Wettbewerb. Unsere Verantwortung besteht darin, zentrale und eigene Investitionen und Einnahmen gut zu nutzen, selber zu entscheiden, was für den eigenen Club wichtig ist, welche Rolle man im deutschen oder internationalen Fußball spielen möchte, was man den Menschen in seiner Region anbietet und was letztlich die Mitglieder des eigenen Vereins für richtig halten. Das muss unser Weg sein!

Wir 36 Vereine stehen für 36 unterschiedliche Modelle innerhalb der Regeln, die wir uns gegeben haben. Jeder Versuch über diese Regeln hinaus, unterschiedliche Entwicklungen anzugleichen, Erfolge zu sozialisieren, um Misserfolge abzufedern, wird unseren Fußball und seinen Wettbewerb stärker gefährden, als es die globalen Veränderungen bereits tun. Ein geeinter und starker deutscher Profifußball, der sich zentral vermarktet, sich solidarisch verhält, aber unterschiedliche Herangehensweisen und Entwicklungen unter seinen 36 Vereinen akzeptiert, ist zudem viel besser in der Lage, sich international für wirksamere Financial-Fairplay-Regeln, für eine Obergrenze von Ausgaben und gegen Multi-Ownerships im Fußball einzusetzen.

Aus den genannten Gründen appellieren wir an das DFL-Präsidium, den für Montag geplanten Antrag nicht zu stellen. Auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners erstmals einen Investor an unseren Tisch zu lassen, ist der grundlegenden Bedeutung dieses Vorganges gegenüber unangemessen. Stattdessen sollten wir Zeit und Mühe dafür aufwenden, Einigkeit zu erzielen, einen breiten Konsens unter allen Beteiligten herzustellen, eine Position der Stärke zu entwickeln. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für ein bedeutend besseres wirtschaftliches Ergebnis als das, was uns aktuell vorliegt. Investitionen in den deutschen Profifußball, auch in die Vereine wie im Frühjahr vorgestellt, sind weiterhin richtig. Sie stärken unseren eigenen gemeinnützigen Weg und erhalten unser Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem internationalen Wettbewerb.

Die kulturelle Bedeutung und die soziale Verankerung unseres Fußballs sind das Wertvollste, was wir besitzen. Deshalb ist im Umgang damit größte Sorgfalt geboten. Diese erkennen wir im Vorgehen der letzten Monate und dem im als Ergebnis vorliegenden Antrag nicht.