Tach gesagt!

Offener Brief des Präsidenten zur aktuellen Lage

Ausbreitung des Corona-Virus:

Mi, 11. März 2020
Offener Brief des Präsidenten zur aktuellen Lage

Liebe Unioner,

ich wende mich heute persönlich an Sie, weil die aktuelle Lage hinsichtlich der Gefährdung der Bevölkerung durch die Ausbreitung des Corona-Virus nahezu stündlich zu neuen Lagebewertungen seitens der zuständigen Behörden führt. Welche Auswirkungen die daraus resultierenden Entscheidungen für uns in den nächsten Tagen und Wochen haben werden, ist momentan nicht abzusehen. Fest steht hingegen jetzt schon, dass wir in unserer ersten Bundesliga-Saison von außergewöhnlichen Maßnahmen betroffen sind, die sich niemand gewünscht hat, die aber dem bestmöglichen Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus dienen sollen.

Gerne möchte ich Ihnen den Ablauf der letzten Tage ausführlich erläutern, damit Sie verstehen, auf Basis welcher Informationen wir zu welchem Zeitpunkt kommuniziert haben. Klar ist, unser Spiel gegen den FC Bayern München findet ohne Zuschauer statt.
Nach der Empfehlung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn vom Sonntagabend, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern präventiv abzusagen, haben wir am Montag Kontakt zu den zuständigen Landes- und Bezirksbehörden aufgenommen.
Das Land Berlin hat am Dienstag darüber informiert, dass eine pauschale Anordnung zur Absage von Veranstaltungen nicht geplant sei, es stattdessen bei der Einzelfallprüfung der lokalen Gesundheitsbehörden bleibe. Gemäß unserer Sorgfaltspflicht als Veranstalter haben wir bereits am Montag umfangreiche Vorkehrungen zur Prävention und zum Schutz unserer Besucher getroffen. Darüber haben wir das Gesundheitsamt Treptow-Köpenick im Laufe des Tages schriftlich informiert.

Für den Stadtbezirk Treptow-Köpenick teilte mir Bürgermeister Oliver Igel darauf am gestrigen Dienstagvormittag schriftlich mit, „… wir haben gerade diskutiert und kommen zu dem Ergebnis, dass wir derzeit keine Notwendigkeit für eine Spielabsage oder ein Geisterspiel sehen.“

Diese Mitteilung führte aufgrund zahlreicher Nachfragen zu unserer gestrigen Pressemitteilung über den aktuellen Stand der Austragung des Spiels.

Im Rahmen eines persönlichen Treffens am Dienstagnachmittag mit Bernd Geschanowski, dem Gesundheitsstadtrat von Treptow-Köpenick, habe ich den aktuellen Stand der Vorbereitungen und die geplanten Maßnahmen rund um das anstehende Heimspiel vorgestellt. Auch in diesem Gespräch bestätigte der Gesundheitsstadtrat, dass aktuell keine Notwendigkeit gesehen werde, Zuschauer auszuschließen, die Lage aber jederzeit neu bewertet werden könne.

Am heutigen Mittwoch erfuhren wir zunächst über die Medien, dass womöglich eine Neubewertung der Lage vorgenommen worden sei. Auf Nachfrage informierte der Stadtbezirk Treptow-Köpenick durch Bürgermeister Oliver Igel mich mündlich darüber, dass die Lage nun anders bewertet und daher ein Zuschauerausschluss angeordnet werde. Diese Anordnung liegt uns seit heute Nachmittag schriftlich vor.

Liebe Unioner, natürlich hat für uns der gesundheitliche Schutz unserer Mitarbeiter und Stadionbesucher oberste Priorität. Die Entscheidung darüber, was dafür notwendig ist, haben die zuständigen Behörden zu treffen. Das haben sie in Bezug auf unser Spiel binnen 24 Stunden in unterschiedlicher Weise getan. Daraus resultierend haben sich unsere Herangehensweisen an das Spiel verändert. Unsere Kommunikation zur Durchführung des anstehenden Heimspiels basierte auf schriftlichen und mündlichen Informationen des zuständigen Bezirksamtes von Treptow-Köpenick. Keinesfalls wollten wir damit zusätzliche Verunsicherung erzeugen. Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Es war und ist für alle Beteiligten, auch für die Behörden, eine außergewöhnliche Situation.
 
Die jetzt vorliegende Entscheidung der Behörden aufgrund der heutigen Lagebewertung der zuständigen Experten schafft für uns alle Klarheit und deshalb begrüße ich sie. Diese Anordnung ist die für uns notwendige Rechtsgrundlage, nun alle erforderlichen Maßnahmen umzusetzen, damit das Spiel – wenn auch unter gänzlich anderen Umständen – ausgetragen werden kann. Sowohl als Arbeitgeber von mehreren hundert Mitarbeitern, als auch als Vertragspartner zahlreicher Lieferanten und Dienstleister und mit Hinblick auf unsere Stadionbesucher sind wir auf eine solche Rechtsposition angewiesen, um nicht vertragsbrüchig und schadenersatzpflichtig zu sein. Diese ist nun gegeben und sie ist für unseren Verein von existenzieller Bedeutung. Eine eigene Absage, ohne behördliche Anordnung, hätte gravierende rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen für unseren Verein bedeuten können.  

Ich bedaure sehr, Ihnen heute keine besseren Nachrichten überbringen zu können. Wohl niemand von uns hätte sich je ein Geisterspiel im Stadion An der Alten Försterei vorstellen können. Fußball ohne Menschen ist für uns kein Fußball. Ich wünsche uns allen, dass die nun getroffenen Maßnahmen möglichst schnell Wirkung zeigen und zu einer Eindämmung von Corona führen.  Die Auswirkungen für unseren Verein sind heute noch nicht absehbar. Es wird sie geben, aber ich kann Ihnen versichern, dass unser Handeln als Vereinsführung darauf ausgerichtet ist, den Schaden bestmöglich zu begrenzen. Das ist unser Auftrag und unsere Verpflichtung.

Dirk Zingler
Präsident des 1. FC Union Berlin