Heute vor 105 Jahren:
Erstes Union-Spiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft des DFB
Der SC Union Oberschöneweide unterlag am 16.05.1920 in seinem ersten Spiel um die Deutsche Meisterschaft den Vereinigten Sportfreunden Breslau unglücklich mit 2:3 Toren.
Die Saison 1919/20 der Ostkreis-Meisterschaft des Verbandes Brandenburgischer Ballspielvereine, des VBB, beendete der SC Union Oberschöneweide, damaliger Vorgängerklub des 1. FC Union Berlin, im Februar 1920 auf dem ersten Tabellenplatz. Damit waren die Blau-Weißen teilnahmeberechtigt für die sich anschließenden entscheidenden Begegnungen der Meisterklasse, deren Sieger dann an der im Pokalsystem gegen die Titelträger der anderen Regionalverbände ausgetragenen Deutschen Meisterschaft teilnahm.
Von Februar bis Juni 1920 trafen in einer einfachen Runde zwölf Vereine, die jeweils ersten drei des Ost-, des West, des Nord- und des Südkreises, aufeinander. In der dritten dieser Begegnungen empfing die Mannschaft um Spielführer Ernst Standtke den BFC Viktoria 1889 – am 7. März 1920 war es das erste Spiel am Rande der Wuhlheide im neuen Sportpark Sadowa. Der Vergleich endete 1:1 unentschieden.
Schließlich wurde Union Oberschöneweide VBB-Titelträger. Max Günther, Unions Geschäftsführer, kam hierzu in der Zeitschrift Der Rasensport mit einem Rückblick auf die Geschichte seines Klubs zu Wort und verwies dabei auch auf Tugenden der Unioner, als er schrieb, den Titel „verdankt Union in erster Linie der Tätigkeit und Opferfreudigkeit seiner Spieler.“ Wohl einzigartig sei, „daß fast alle Spieler Oberschöneweider und aus dem Klub hervorgegangen sind. Namen wie Standtke, Rump, Seipp rechnen zu den Gründern“, derweil Willi Dallapikola, Otto Splittgerber, Franz Müller und andere im Jahr vor dem Meisterschaftsgewinn der Jugendmannschaft angehörten.
Am 16. Mai 1920 stand für die Müller, Splittgerber, Dallapikola und die Seipp, Rump und Standtke das erste Spiel um die Deutsche Meisterschaft im Programm. Sie wurden dazu in Schlesien empfangen vom Meister Südostdeutschlands, den Vereinigten Sportfreunden Breslau. Nicht allein dort, im heutigen polnischen Wrocław, galten die Unioner als favorisiert. „Die Sportfreunde“, schauten die Breslauer Neuesten Nachrichten voraus, „werden ihr Bestes hergeben müssen, um zu bestehen.“ Die konkurrierende Breslauer Zeitung teilte die Einschätzung: Die heimischen Schwarz-Weiß-Gelben würden „alles aufbieten müssen“. Die Schlesier dürften, schrieb der ebenfalls namentlich wie alle anderen unbekannt gebliebene Autor, „nicht allzu hoffnungsfreudig in die Zukunft sehen, doch hoffen wir, dass die Sportfreunde sich günstig aus der Affaire ziehen werden. Vielleicht langt es doch zum Siege.“
„Vom Publikum mit lauten Beifall begrüßt“, berichtete Der Fußball-Sport, liefen die Unioner auf dem Schlesier-Sportplatz an der Kürassierstraße auf. Die 5.000 Stadionbesucher sahen einige ins Abseits mündende Oberschöneweider Angriffe. Nach einem Eckball der Sportfreunde in der 18. Spielminute „machte Rump im Strafraum Hand“. Den folgenden Strafstoß schoss Breslaus Albert Taube an den Torpfosten. Darauf endeten mehrere Versuche der Gastgeber bei Union-Torwart Franz Müller, bevor sein Kamerad Richard Gutsche eine Flanke von rechts zum Kopfball verwertete und damit zum 0:1 traf. „Doch sollte die Freude nicht lange dauern“, denn fünf Minuten später glich aus einem Getümmel heraus Paul Kugler unhaltbar zum 1:1-Pausenstand ein.
„Nach Wiederbeginn zeigte sich Union erst dauernd im Angriff“, hielt die Zeitschrift Stadion ihren Lesern fest. Sich durchsetzendes Kombinationsspiel der Unioner bemerkte gleichzeitig der Berichterstatter der Breslauer Zeitung: „Die Sportfreunde versuchen nun mit aller Macht auszugleichen, doch arbeitet die gegnerische Läuferreihe hervorragend und unterbindet jeden Angriff.“
Etwa zehn Minuten nach dem Wiederanpfiff missglückte den Heimischen ein Klärungsversuch, als Fritz Gärtner den Ball unglücklich traf und dieser „in die äußerste Ecke des eigenen Tores rollte“, wie es der Fußball-Sport-Autor notierte. Die erneute Führung behaupteten die Oberschöneweider nicht. Chancen für beide Seiten, aber stärker werdende Sportfreunde und steigende Spannung beim Publikum vermerkte der Reporter, doch „schon glaubte man an einen Sieg Berlins“, als in der 86. Minute der frei stehende Fritz „Seppl“ Blaschke nach einer Vorlage Albert Taubes „unhaltbar ins Netz“ vollendete.
Wenige Minuten nur noch waren zu spielen, „die Aufregung unter der Menge steigt bis zur Siedehitze“, so die Breslauer Neusten Nachrichten zur Stimmung im Stadion in der Schlussphase. Doch zu einer Verlängerung kam es nicht. Noch einmal wehrte Franz Müller einen Schuss „hervorragend“ ab, bevor es Hermann Pohla in der Schlussminute gelang, „sich durchzuspielen und noch im letzten Moment unhaltbar das siegende Tor zu schießen“. Umringt von der „begeisterten Menge verließ der südostdeutsche Meister als glücklicher Sieger das Spielfeld,“ doch nicht „die bessere, sondern die glücklichere Mannschaft“ habe das Spiel gewonnen, schätzte Der Fußball-Sport schließlich ein.
Für Union Oberschöneweide spielten in Breslau: Der Torwächter Franz „Nante“ Müller, die Verteidiger Wilhelm Rump und Ernst „Jorka“ Standtke, die Läufer Willi Dallapikola, Otto Splittgerber und Bruno Skibinski sowie die Angreifer Willi Klaus, Willi „Itze“ Jachmann, Albert Seipp, Richard Gutsche und Willi Kappe.
Auf Seiten der Gastgeber liefen auf: Der Torhüter Alfred Hoppe, die Abwehrspieler Edmund Exner und Fritz Gärtner, die Läufer Erich Scholz, Willi Dagott und Willi Roßbacher sowie die Angreifer Gerhard Schwierch, Albert Taube, Paul Kugler, Josef „Seppl“ Blaschke und Hermann Pohla.
Die Vereinigten Breslauer Sportfreunde unterlagen in der folgenden Runde 0:4 der Spielvereinigung Fürth, dem amtierenden Deutschen Meister. Mit 2:0 Treffern bezwang im Endspiel der 1. FC Nürnberg die Fürther.