'Nabend!

Dirk Zingler im Interview (Teil 1)

Do, 08. Mai 2014
Dirk Zingler im Interview (Teil 1)

Am vergangenen Wochenende fand das Exilertreffen der Unioner statt. Auch in Aalen endete das Treffen wieder mit dem traditionellen Frühschoppen, bei dem Union-Präsident Dirk Zingler sich den Fragen von André Rolle und Rocco Schlichting vom Orga-Team stellte.

Das Interview gibt's in gekürzter Fassung im morgen erscheinenden Programmheft zum letzten Heimspiel gegen 1860 München und in voller Länge hier auf der Homepage in vier Teilen. Heute zunächst Teil 1:

 

Wie sieht der Präsident den Saisonverlauf?

In meiner Brust schlagen ja immer noch zwei Herzen. Wenn man schon viele Jahrzehnte Unioner ist, wie ich und wie viele hier im Raum, sind wir ja grundsätzlich erstmal zufrieden, wenn wir Spielzeiten erleben, wo wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Wo wir eine ruhige Saison spielen, wo wir Spaß haben. Ich glaube, dass ist für uns alle immer die Grundvoraussetzung – Spaß zu haben.

Natürlich hat sich der Verein in den letzten Jahren entwickelt. Wir haben eine Menge in die Infrastruktur investiert. Wir stellen immer mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass unsere Ansprüche natürlich gestiegen sind. Die Frage ist, was ist unserer Anspruch? Ich habe es ja immer wieder öffentlich gesagt, dass wir aus den uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Maximum rausholen wollen. Das kann von Saison zu Saison unterschiedlich sein. Ich will das gar nicht an einem Tabellenplatz festmachen. Wir müssen in der Vereinsführung immer das Gefühl haben, dass der Sport sich gut organisiert und die Mittel vernünftig einsetzt.

Jetzt konkret, ob ich zufrieden bin: Nein, das bin ich natürlich nicht. Ich glaube, dass wir im Winter die Chance hatten, in der Rückrunde oben anzugreifen. Das ist uns nicht gelungen. Wir sind dabei zu analysieren, woran es gelegen haben könnte. Natürlich hatten wir das Ziel, die Leistung vom letzten Jahr zu bestätigen. Aber nochmal: in meiner Brust sind zwei Herzen. Jede Saison wo wir Spaß haben und nichts mit dem Abstieg zu tun haben, ist für mich als Unioner auch immer eine gute Saison.

Nun zeichnet sich diese Saison auch dadurch aus, dass man den Eindruck hatte, es wollte niemand so richtig aufsteigen. In Anbetracht dessen, dass es in diesem Jahr eine eher ausgeglichene zweite Liga war, tut es da nicht besonders weh, diese Chance nicht genutzt zu haben?

Nein. Eine ausgeglichene Liga heißt nicht unbedingt einfache Liga. Ausgeglichen heißt im Grunde, dass jede Mannschaft einer anderen die Punkte wegnehmen kann. Manchmal ist es ja einfacher, wenn du ein oder zwei klare Favoriten hast, wo andere Vereine nicht gewinnen können. Das hatten wir in den letzten Jahren mit Hertha oder Eintracht Frankfurt. Wir müssen mit uns selbst zufrieden sein. Was die anderen tun, können wir nicht beeinflussen.

Nun weiß ich ja, dass du ein sehr emotionaler Fan bist. Wo waren denn die Highlights für dich in dieser Saison. Und was waren bittere Momente?

Für mich sehr, sehr bitter war das Spiel auf St. Pauli. Weil wir ein sehr leidenschaftliches Spiel gemacht haben und am Ende noch den Genickschlag hinnehmen mussten. Auch das 1:1 gegen Paderborn zu Hause war so ein bitteres Spiel. Ein Highlight war das Spiel gegen St. Pauli zu Hause. Ein Spiel das wir gedreht haben. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht.

Dann mal weg von der aktuellen Saison. Ich habe ein Zitat von Nico Schäfer gefunden von 2011 als er angefangen hat bei uns als kaufmännischer Leiter. Da benannte er die Vereinsmaxime als den Weg der kleinen Schritte und des eigenen Tempos. Gilt den diese Maxime auch heute noch und was sagst du Kritikern, die meinen wir wachsen heute zu schnell?

Also diese Politik gilt natürlich heute immer noch. Wir wachsen nicht zu schnell. Aber woran messen wir eigentlich Wachstum? An den eigenen Ansprüchen? Oder messen wir unser Wachstum am Wachstum um uns herum. Daran, wie sich andere Vereine entwickeln?

Wir schauen uns schon regelmäßig an, was auf dem Markt passiert. Die Entwicklung innerhalb des Fußballs, innerhalb der Ligen ist rasant. Wir haben heute mit Bayern München, Borussia Dortmund und Schalke drei Vereine, die regelmäßig in der Champions League spielen. Und dadurch zwischen 300 und 450 Millionen Euro Umsatz machen. Danach haben wir Werksmannschaften wie Bayer, VW, SAP, jetzt Red Bull, die sicherlich auch durch die zweite Liga durchgehen werden.

Der HSV möchte seine Profimannschaft auslagern, um Investoren die Möglichkeit zu geben einzusteigen. Hertha BSC hat jetzt Finanzinvestoren. Hannover 96 will die 50+1 Regel aufheben. All das sind Entwicklungen im deutschen Fußball, die letzten Endes ausdrücken: es wird immer mehr Kapital in den Fußball fließen.

Unsere Herausforderung besteht darin, unseren eigenen Platz zu finden. Wo wollen wir eigentlich den 1. FC Union Berlin in 5 bis 10 Jahren im deutschen Fußball sehen? Welchem Wettbewerb stellen wir uns? Welchem Kapitalwettstreit stellen wir uns? Wir bekommen alle keine Zinsen mehr für unser Geld, in der gesamten EU. Das heißt, Menschen, die vermögend sind, setzen auch auf Fußball, um dort Geld anlegen zu können. In diesem Wettbewerb werden wir uns positionieren müssen. Also ich glaube nicht, dass wir zu schnell wachsen, sondern wir richten unser eigenes Wachstum nach unserem eigenen Wertegerüst. Wenn sich Möglichkeiten ergeben, die mit unseren Werten übereinstimmen, dann werden wir versuchen, diese zu nutzen.

Wir haben am letzten Spieltag das 12.000. Mitglied bei uns begrüßt. Das ist eine Zahl, die uns alle stolz machen kann. Wie wichtig ist eigentlich ein starkes Mitgliederwesen beim 1. FC Union Berlin? Was denkst du, wo es noch hingehen kann? Was sagst du denen, die hier im Raum sitzen und sich diesen Schritt noch überlegen?

Ich glaube, dass gerade im deutschen Fußball mitgliederstarke Vereine eine wichtige Rolle spielen sollten. Weil wir auch als Gegenmodell zu Leipzig fungieren, wo ja Mitglieder oder auch Teilhabe am Vereinsleben nicht erwünscht sind. Für uns ist das total wichtig, weil wir uns über die Menschen definieren, die ins Stadion kommen und über Vereinsmitglieder und unsere Stadionaktionäre.  Das ist Teil unserer Kernmarke.

Dazu kommt, dass die Mitgliedsbeiträge zu 100% in den Nachwuchs fließen. Wir geben 1,5 Millionen Euro für unsere Nachwuchsarbeit aus. Die finanziert sich zu 2/3 aus den Mitgliedsbeiträgen. Deshalb ist das gut angelegtes Geld. Ich kann nur jedem empfehlen, Mitglied bei Union zu werden.

Wir haben nächste Saison wieder eine Damenmannschaft in der zweiten Liga. Der Verein steht dahinter?

Ja, natürlich! Die Mädels sind auch der 1. FC Union Berlin. Die machen da einen ganz tollen Job. Julia Wigger, die das jetzt seit gut anderthalb Jahren macht als Abteilungsleiterin, macht das sensationell gut. Am 1. Mai beim FrauenFußballFeiertag  konnte man sehen, mit wie viel Engagement dort gearbeitet wird. Und mit wie viel Leidenschaft die Mädchen unser Emblem tragen und stolz sind Unionerinnen zu sein.

Wir haben mit der Abteilung mal gesprochen, ob der Wunsch besteht einen eigenen Frauenfußballverein zu haben. Wir sind einer der wenigen Vereine in Deutschland, wo die Frauenabteilung zum Hauptverein gehört und für die Mädels ist das total wichtig, Teil unseres Gesamtvereins zu bleiben.

Ich freue mich, dass diese Arbeit letzten Endes auch zu Erfolg führt. Wer sich mit den Mädchen unterhält - ich hab die Freude mal gehabt, mit ihnen unterwegs sein zu dürfen – wird feststellen: Das sind Unionerinnen durch und durch!

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