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FuMA in Schottland

Mo, 12. Dezember 2016
FuMA in Schottland

Die Fan- und Mitgliederabteilung hat sich, neben ihren vielen Aufgaben in und um den 1. FC Union Berlin herum, auch zum Ziel gesetzt, Kontakt zu anderen Vereinen zu halten, um im Bereich der Fanmitbestimmung im ständigen Austausch zu bleiben. Dabei machen unsere Bemühungen natürlich nicht an den deutschen Grenzen halt, und so weilte der ehemalige FuMA-Leiter Jacob Rösler letztes Wochenende auf Einladung der Scottish Football Supporters‘ Association in Schottland, um vor Ort dank der Organisation der SFSA und unter deren Beteiligung mit verschiedenen Vereinen und Fanvertretungen über fanpolitische Themen in den Austausch zu treten.

Der schottische Fußball spielt im Schatten der übermächtigen englischen Premier League eine kleine Nebenrolle, nicht erst seit dem Zwangsabstieg der Glasgow Rangers und der damit einhergehenden Langeweile in der ersten Liga. Dennoch ist Schottland bezogen auf die geringe Einwohnerzahl (mit gut 5 Millionen Einwohnern nur etwas mehr als Berlin) das vermutlich fußballverrückteste Land der Erde, so gehen doch an einem durchschnittlichen Erstligaspieltag im Verhältnis zur Einwohnerzahl etwa dreimal so viele Menschen ins Stadion wie in Deutschland. Dennoch entsprechen die absoluten Zahlen mit einem Zuschauerdurchschnitt von etwa 13.500 in der ersten Liga - ebenso wie böse Zungen behaupten der Fußball selbst - nur etwa deutschem Zweitliganiveau und dies auch nur durch die etwas verfälschenden Zuschauerzahlen von Celtic und den Rangers.

Obwohl Fußball in Schottland mit großem Abstand Zuschauersport #1 ist, spielen Fans und deren Interessen nur eine untergeordnete Rolle. Die oftmals im Englischen Fußball zitierten Probleme, die in der Einführung der so genannten All Seater Stadien nach dem Taylor Report gipfelten, sind auch in Schottland aktuell. Zudem sind schottische Vereine externen Kapitalgebern („Investoren“) gegenüber sehr offen, eine 50+1 Regel sucht man vergebens. Wer wissen möchte, was bei der fraglosen Öffnung für fremdes Kapital schief gehen kann, darf gern in Edinburgh bei unserem ehemaligen Testspielgegner Hearts of Midlothian nachfragen – oder aber auch in München.

Ein weiterer Verein, der eine nicht völlig problemfreie Investorenvorgeschichte hat, ist der FC Motherwell aus der gleichnamigen Stadt 20 km südöstlich von Glasgow. Motherwell war lange das Zentrum der schottischen Stahlindustrie, seit dem Niedergang der Schwerindustrie darbt auch die Stadt entsprechend. Die ausschließlich aus Fans des FC Motherwell bestehende Well Society hat sich gegründet, um aus dem in mehreren Etappen schiefgegangenen Investorenexperiment die aus Fansicht einzig sinnvolle Konsequenz zu ziehen: Der Klub soll wieder in die Hände derer gegeben werden, denen er aus anderen als aus finanziellen Gründen wichtig ist. Diesem Ziel ist diese Fanorganisation, an der sich Motherwellsympathisanten für vergleichsweise geringe 5£ pro Monat beteiligen können, Ende 2016 bereits so nahe gekommen, dass mit einer Mitgliederzahl von über 2.000 der FC Motherwell tatsächlich von Fans kontrolliert wird. Dies heißt natürlich nicht, dass alle Entscheidungen auf einmal basisdemokratisch getroffen werden, vielmehr hat der FC Motherwell damit einen entscheidenden Schritt in Richtung eines Vereins getan, in dem die Mitglieder ein Mitsprache und –wahlrecht haben. Aus deutscher, und insbesondere Unionsicht, mag dies läppisch erscheinen – im Endeffekt errichtet der FC Motherwell gerade ein Mitgliederwesen. Dieser Vorgang zeigt aber vor allem deutlich, wie schwer es nach einer misslungenen Investition ist, bestimmte fußballkommerzielle Uhren überhaupt zurückstellen zu können. In der Euphorie des Erreichten lotet der FC Motherwell und die Well Society gerade schrittweise aus, wo die Chancen und möglicherweise Grenzen von Fanbeteiligung in einem Profiklub liegen und hatte uns eingeladen, um sich mit uns über die Erfahrungen der Fan- und Mitgliederabteilung auszutauschen, so dass der FC Motherwell als Vorreiter im schottischen Erstligafußball den für sich hoffentlich richtigen Weg weiter diskutieren kann.

Eine weitere Einladung zum Gespräch kam aus dem hohen Nordosten. In Aberdeen, wo der ortsansässlige FC 1983 mit Trainer Alex Ferguson im Finale des Pokals der Pokalsieger sensationell Real Madrid schlug, wird seit längerem über einen Auszug aus dem altehrwürdigen und in der Stadt gelegenen Pittodrie Stadium diskutiert. Die grundsätzlich schon seit 2003 existierende Faninteressengemeinschaft  sieht ihre Aufgabe unter anderem darin, in diesen Diskussionen den zahlreichen Fans des Vereins eine Stimme zu verschaffen. Jacob legte einer offenen Runde von interessierten und durchaus diskussionsfreudigen Dons-Supportern die Geschichte der Alten Försterei seit dem Umbau 2008/09 über die Gründung der Stadionbetriebs AG und dem Verkauf der Aktien an Unionmitglieder dar. Von besonderem Interesse war für die Anwesenden die Frage, inwieweit Fans tatsächlich ein offenes Ohr bekamen und worin die Vor- und Nachteile der verschiedenen Aspekte aus Fan- sowie teilweise auch Klubsicht lagen. Interessant dabei ist, dass einige Dinge auch grenzübergreifend gleich gesehen werden, anderen jedoch in Aberdeen deutlich entspannter gesehen werden als bei Union. Beispielsweise wird ein Umzug aus der Stadt auf die grüne Wiese oder die Umbenennung des Stadions als nicht so tragisch gesehen.

An dieser Stelle sei auf die wieder neu eröffnete AG Stadion der FuMA hingewiesen, in der sich Unionfans an der Diskussion um die Planungen zum StAdAF beteiligen.

Auf Grund der inzwischen historisch zu nennenden Andersartigkeit der Fußballkultur auf der Insel waren weitere Diskussionspunkte Stehplätze, die Frage der Stadionverbote und alkoholfreier Fußball. Bis auf den zweiten Punkt lässt sich feststellen, dass schottische oder englische Verhältnisse hoffentlich in Deutschland noch lange verhindert werden können – die Stimme der Fans wird hierbei der entscheidende Punkt sein.

Abgesehen davon, dass Union und seine Fans sowie deren Aktionen weit über Köpenicks Grenzen hinaus einen mindestens erstklassigen Ruf besitzen, ist der Austausch mit Fans anderer Vereine wichtig, um unser eigenes Handeln sinnvoll reflektieren zu können. Gleichzeitig können wir, ohne uns dabei für etwas Besseres zu halten, unsere Erfahrungen teilen und mit offenen Ohren andere Geschichten und Probleme aufnehmen, um die für uns richtigen Schlüsse für unsere eigene Zukunftsgestaltung zu ziehen. Die Netzwerktätigkeit innerhalb unseres Vereins und außerhalb ist dabei unabdingbar. Nur, wenn wir im Gespräch bleiben und bereit sind, uns zu engagieren, können wir für uns wünschenswerte Zustände überhaupt auch nur formulieren, geschweige denn realisieren.

Die Fan- und Mitgliederabteilung dankt der SFSA und dem Vorsitzenden Paul Goodwin herzlich für die Gelegenheit zum Austausch. Die FuMA, ihre Leitung und die AG Faninteressen werden sich weiterhin dafür engagieren, die Stimme der Fans auch mittels Vernetzung innerhalb der Fanszenen zu stärken.

Eisern Union!

 

Links zum Weiterlesen:

www.scottishfsa.org

www.thewellsociety.co.uk

www.donssupporterstogether.com