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Die Pokal-Sensation – Union bezwingt den Meister

Trainer Werner Schwenzfeier: „Am Verdienst unseres Sieges gibt es nach meiner Meinung keinen Zweifel.“

So, 09. Juni 1968

Zuversichtlich sind die mehr als 1000 Union-Anhänger im Stadion, zuversichtlich kann auch die Mannschaft sein. Sie hatte kurzfristig ein Trainingslager in Bad Saarow abgehalten und war von der märkischen Kleinstadt aus direkt nach Halle gereist. Im Jenenser Lager beherrscht die Sicherheit, die Begegnung zu gewinnen. „Ja, ganz klar, wir waren ja hundertprozentiger Favorit“, schaute der Stürmer Peter Ducke fast vierzig Jahre später zurück. Peter Ducke selbst steht nicht in der Startformation, als sich beide Mannschaften an der Mittellinie zum gemeinsamen Foto aufstellen. Union-Kapitän Ulrich Prüfke überreicht Jenas Spielführer Roland Ducke ein Stofftier – einen Berliner Bären. Eine freundliche Geste und eine nachträgliche Gratulation zum Gewinn des Meistertitels – ein Glücksbringer soll es für die Thüringer ganz bestimmt nicht sein...

Um 15.30 Uhr pfeift Schiedsrichter Rudi Glöckner das Spiel an. Die Thüringer finden schnell den direkten Weg zum Union-Tor und gehen in der ersten Spielminute in Führung. Union-Torwart Rainer Ignaczak hat gegen den platzierten Schuss von Wolfgang Krauß aus einer Drehung heraus keine Chance. Die Mannschaft gerät weiter unter Druck. Gerd Brunner, Michael Strempel, Jürgen Werner und Udo Preuße stoßen immer wieder nach vorne in den Union-Strafraum. Wolfgang Hillmann, Wolfgang Wruck und Hartmut Felsch in der Union-Abwehr aber stehen sicher. Nach einer Viertelstunde verebbt das Carl-Zeiss-Angriffsbemühen mehr und mehr schon im Mittelfeld. Harald Betke beherrscht Jenas Rainer Schlutter, sodass der kaum angespielt werden kann. Roland Ducke ist gut bewacht. Dieter Scheitler tappt mehrmals in die Abseitsfalle der Berliner. Das Spiel des Meisters leidet darunter, er schlägt Bälle nur noch nach vorne. Union baut sich langsam, aber sicher auf. Jimmy Hoge sorgt nach vorne für Druck, alle Union-Spieler setzen jetzt, als sich Jenas spielerisches Vermögen nicht durchsetzt, auf ihren kämpferischen Einsatz. Auch von den rot-weißen Rängen aus gibt es kein Nachlassen: „Eisern Union! Eisern Union!“ Das Selbstvertrauen wächst von Minute zu Minute. Nach einer knappen halben Stunde geht ein zweiter Jubel durchs Stadion. Elfmeter für Union nach Handspiel von Gerd Brunner. Meinhard Uentz legt sich den Ball zurecht, dann ein einziger Torschrei aus tausend Union-Kehlen – der Ausgleich in der 29. Spielminute. Mit dem 1:1 geht es in die Kabinen zur Pause. Werner Schwenzfeier verändert seine Aufstellung noch nicht. Jena geht nach Wiederanpfiff entschlossener in die Partie. Wolfgang Hillmann muss für den schon geschlagenen Rainer Ignaczak auf der Linie retten. Mit großem Laufpensum setzen sich Jürgen Stoppok, Harald Betke und Reinhard Lauck immer wieder in Szene. Kapitän Ulrich Prüfke leitet das Spiel seiner Mannschaft souverän. Energisch drängen Wolfgang Wruck, Jimmy Hoge und Ralf Quest immer wieder nach vorne. Er ist es, der in der 63. Minute ein mustergültiges Zuspiel von Uli Prüfke aufnimmt, Jenas Tormann Wolfgang Blochwitz umspielt und so zum 2:1 vollendet. Auf der Union-Tribüne des Stadions gibt es nun kein Halten mehr. Minutenlang liegen sich die Berliner in den Armen. Bald darauf stellt Werner Schwenzfeier dann in seiner Mannschaft doch um. Wolfgang Hillmann muss verletzt vom Platz, Harry Zedler greift für ihn in der 67. Minute ins Sensationsgeschehen ein.

Rainer Ignaczak kann mit seinen Paraden gefährliche Bälle vom eingewechselten Peter Ducke in der 76. Minute ebenso meistern, wie den Kopfball von Helmut Stein, als Hartmut Felsch zehn Minuten vor dem Ende ein Luftduell verliert. Viele Union-Anhänger sind längst heiser vom anfeuern ihrer Mannschaft, als Meinhard Uentz nach 79 Minuten die Chance zum 3:1 hat, Jimmy Hoge in der 81. Minute noch einen Konter mit kräftigem Schuss abschließt und Reinhard Lauck in der Schlussminute den alles klärenden dritten Treffer nicht erzielt.

Referee Rudi Glöckner pfeift das Pokalendspiel ab. Alle Unioner – ob auf den Tribünen, an der Bank oder auf dem Rasen – liegen sich unendlich glücklich in den Armen. Mancher will seine Freudentränen nicht zurückhalten. Es ist geschafft. Der 1. FC Union Berlin ist Pokalsieger der Saison 1967/68. In der Kabine der Berliner herrscht allerbeste Stimmung. „Wir haben den ersten Sekt nach dem Spiel sicherlich gleich aus der Flasche getrunken“, meint Hartmut Felsch rückblickend, „aber den Trainer haben wir damit nicht geduscht. Dafür war der Respekt vor Werner Schwenzfeier auch zu groß.“ Der Trainer wird zwei Tage später in der „Fußballwoche“ zitiert: „Dieser Endspielsieg war der größte Triumph, den der 1. FC Union Berlin bisher feiern durfte. Was wir insgeheim erhofft und psychologisch gut vorbereitet haben, wurde Wirklichkeit. Selten zuvor bewies unsere Elf unter ungewöhnlichen Bedingungen, wie stark sie in der letzten Zeit geworden ist. Für den ausschlaggebenden Faktor, daß wir die Partie zu unseren Gunsten entscheiden konnten, halte ich die Tatsache, daß uns der überraschende Rückstand nicht umwarf. Das deshalb, weil unsere ganze taktische Einstellung vorsah, auf jeden Fall einen frühen Rückstand zu vermeiden. Keiner ließ eine Schockwirkung erkennen, jeder kniete sich um so leidenschaftlicher in seine Aufgabe hinein. Am Verdienst unseres Sieges gibt es nach meiner Meinung keinen Zweifel.“