Tach gesagt!

Eiserne Ladies: Interview zum Jahresabschluss

Do, 21. Dezember 2017
Eiserne Ladies: Interview zum Jahresabschluss

Wir haben uns zum Abschluss des Jahres mit dem Trainer der 1. Frauenmannschaft, Falko Grothe, getroffen und über die letzten Monate gesprochen:

Herr Grothe, Sie sind seit diesem Sommer Cheftrainer der 1. Frauen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt, nachdem sie zuvor zwei Jahre als Co-Trainer gearbeitet haben?
Die letzten drei Jahre waren sehr aufregend und haben viele neue Erfahrungen mit sich gebracht. Zu Beginn hat mich vor allem die Qualität und der Ehrgeiz der Spielerinnen beeindruckt, sowie die Freude daran Neues kennenzulernen. Mit Spielerinnen zu arbeiten, die eine hohe Erwartungshaltung haben, motiviert mich auch heute noch besonders. Gleich in meinem ersten Jahr als Co-Trainer haben wir eine extrem starke Rückrunde gespielt, konnten die Regionalligameisterschaft und den Berliner Pokal holen. Meine zweite Saison als Co-Trainer in der 2. Bundesliga war aufgrund der großen sportlichen Aufgabe ein Auf und Ab, aber ich denke sowohl wir im Trainerteam, als auch die Spielerinnen, konnten sehr viel aus dem Jahr mitnehmen. Dass wir am Ende abgestiegen sind war, wenn man den Verlauf der Saison - insbesondere der vielen sehr knappen Spiele - sieht, alles andere als zwangsläufig. Auch menschlich war es eine sehr bewegte Zeit. Bei meiner Ankunft als Co-Trainer kannte ich weder Spielerinnen noch die anderen Mitglieder unseres Funktionsteams persönlich, auch zu Union Berlin hatte ich nur ein paar lose Bezüge. Hier zu sein fühlt sich aber schon seit längerem an wie nach zu Hause kommen, daher bin ich vor kurzem Vereinsmitglied geworden und bin dem Verein und vielen Menschen hier mittlerweile unabhängig meiner Funktion als Trainer sehr verbunden. Über das Vertrauen mit dem Team als hauptverantwortlicher Trainer in die Saison gehen zu dürfen habe ich mich sehr gefreut. Es macht besonders Spaß all das, was sich an Ideen in den letzten Jahren in meinem Kopf festgesetzt hat nun auf hohem Niveau umsetzen zu dürfen. Wenn wir könnten, würde ich dementsprechend noch viel mehr Zeit mit den Spielerinnen auf dem Platz verbringen. Ich denke der deutlichste Unterschied zum Dasein als Co-Trainer ist es nun häufiger vor Spielerinnen und Öffentlichkeit im Rampenlicht zu stehen. Das ist sicherlich essentiell für die Position als Cheftrainer, verschleiert allerdings den Blick auf die Prozesse die dahinter stehen. All das was am Ende sichtbar ist, ist das Resultat von Teamwork: Mit Co-Trainer Oliver Hartrampf, den Team-Managerinnen Anne Noack und Liza Grimske, unserem Physio Michael Scheele und der Presseverantwortlichen Judith Diecke arbeite ich teils schon in der dritten Saison zusammen. Ihre Arbeit kann man gar nicht hoch genug schätzen.

Wie würden Sie die Spielweise Ihrer Mannschaft charakterisieren?
Wir wollen jederzeit aktiv und spielbestimmend auftreten, mit Leidenschaft und Spielfreude am Fußballsport.In unserer Spielidee steht der Ball im Fokus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Spielerinnen Fußballerinnen geworden sind weil es ihnen Spaß macht ihm nur hinterherzulaufen. Wenn wir den Ball nicht haben, wollen wir ihn daher so früh wie möglich erobern. Wenn wir ihn haben, wollen wir über sicheres, vorwiegend flaches Kombinationsspiel aber auf schnellem Weg vor die gegnerische Kiste kommen und den Ball dort versenken. Wir bestreiten die meisten Spiele als Favoriten und treffen häufig auf defensiv kompakt organisierte Gegner, da ist es enorm wichtig, dass wir Mittel haben um sie aus der Ordnung zu bringen.

Im Kader stehen viele Spielerinnen aus der eigenen Jugend und Ihre Mannschaft ist eine der jüngsten der Liga, wie beurteilen sie die Mischung? Unser Team ist mit einem Altersschnitt von etwas weniger als 19 Jahren sehr jung. Das hört sich erst einmal recht grün hinter den Ohren an, aber viele Spielerinnen haben in den letzten beiden Jahren in der Regionalliga und 2. Bundesliga Erfahrung gesammelt sowie bereits in der U17 Bundesliga und Berliner Auswahl gespielt. Ein Großteil der Spielerinnen hat in unserer Jugend eine hervorragende Ausbildung genossen und bringt ein gutes technisches Niveau, Athletik und taktisches Verständnis mit, das es uns erlaubt unsere bereits erwähnte Spielidee zu verfolgen und diese Stärken einzubringen. Da fast alle unserer Spielerinnen schon seit längerer Zeit das Union-Trikot tragen, ist die Identifikation mit unserem Verein ist dementsprechend groß. Sowohl die jungen als auch die älteren Spielerinnen haben einen großen Lernwillen und können Ideen und Trainingsinhalte schnell umsetzen, hinterfragen aber auch kritisch. Das finde ich enorm wichtig: dass Spielerinnen Offenheit und Vertrauen entgegenbringen, aber auch nach dem Warum zu fragen und das was wir machen verstehen zu wollen anstatt immer nur "Ja, Trainer!" zu sagen.

Nach dem Abstieg aus der 2. Frauen-Bundesliga, haben Sie die Hinrunde in der Regionalliga Nordost auf Platz 3 hinter Magdeburg und Viktoria Berlin beendet. Wie lautet ihr Fazit zur ersten Saisonhälfte?
Der Tabellenstand zum Ende der Hinrunde ist aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung und wirkt auf mich leistungsgerecht. Wir sind in einer guten Ausgangslage für die zweite Saisonhälfte. Der Spielplan hat es so gewollt, dass wir zunächst gegen die Gegnerinnen angetreten sind, die eher in der zweiten Tabellenhälfte zu erwarten waren und die Topspiele gegen RB, Viktoria und Magdeburg am Ende der Serie kamen. Wir wollten also erst einmal so viele Punkte wie möglich sammeln um dann mit einem guten Polster in die Matches gegen die Topteams der Liga zu gehen. Auch wenn es uns anfangs teils an Zielstrebigkeit im Spiel fehlte und es schwer fiel gegen tiefstehende Gegner das Tempo hochzuhalten, ist uns das zu weiten Teilen recht souverän gelungen. Besonders beeindruckend fand ich, mit welcher Selbstsicherheit wir die Favoritenrolle immer wieder angenommen haben und dem Spiel ganz klar unseren Stempel aufdrücken wollten. Mein Empfinden bei den Niederlagen gegen RB Leipzig und Viktoria war, dass wir zu viel wollten, unseren Spielrhythmus nicht fanden und uns damit auf den offenen Schlagabtausch einließen, auf den die Gegnerinnen aus waren. Der Kopf war einfach nicht frei. Gegen die Tabellenersten aus Magdeburg konnten wir dann einfach aufspielen, haben das beste Spiel der Hinrunde gezeigt und diese mit einem tollen Erfolg beendet. Außer den Ligaspielen haben wir auch unsere ersten Spiele im Berlin-Pokal sicher gemeistert und sind in die 2. Runde des DFB-Pokals vorgestoßen. Das Spiel gegen den amtierenden deutschen Meister und Pokalsieger VfL Wolfsburg war ein herausragendes Ereignis. Auch wenn eine Sensation ausblieb, haben wir uns sportlich sehr gut präsentiert und konnten uns auf allerhöchstem Niveau messen. Die Kulisse hier in der Alten Försterei war für uns zudem einmalig. Die akkurate Organisation und die große Resonanz rund um das Spiel haben gezeigt, welches Potential der Frauenfußball bei Union Berlin hat und ist ein Fingerzeig auf die Strahlkraft, die wir als Verein in diesem Bereich noch entwickeln können

Welche Ziele haben Sie für die Rückrunde?
Unabhängig der Resultate liegt mir unsere spielerische Weiterentwicklung am Herzen. In puncto Balleroberung und Umschaltspiel sehe ich aktuell viel unausgeschöpftes Potential. Diese Punkte werden wir in der Winterpause angehen. Der Berlin-Pokal hat viel Prestige, mit uns sind noch drei von vier Berliner Regionalligistinnen im Rennen, zudem würde uns der Pokalsieg die Qualifikation für den DFB-Pokal garantieren. Die Motivation wieder Finalatmosphäre zu schnuppern und am Ende den Pokal in die Höhe zu stemmen ist definitiv groß. Besonders schön und auch gar nicht unwahrscheinlich wäre es, wenn wir dies gemeinsam mit unseren U23-Frauen feiern könnten, die bereits im Halbfinale um den Berlin-Pokal der 2. Frauen stehen und sicherlich gern ihren Titel verteidigen möchten. Mit Blick auf das Punktekonto und den Tabellenstand werden wir mit dem gleichen Anspruch in die Rückrunde gehen wie in die Hinrunde. Wir wollen jedes einzelne Spiel gewinnen und das Rennen um die ersten Plätze so lang wie möglich spannend halten. In der Rückrunde wird es definitiv Schlag auf Schlag gehen: innerhalb von 10 Wochen finden alle Spiele statt. In diesen 10 Wochen wollen wir voll da sein. Ein zweites großes Finale, bei dem es dann um Alles oder Nichts am letzten Spieltag in Magdeburg geht, wäre für mich eine traumhafte Vorstellung. Aber bis dahin liegen vorerst neun Spieltage vor uns, die erfolgreich bestritten werden wollen. Das gehen wir step-by-step an.